In einem Dorf, das niemand kennt, außer er hat dort etwas zu erledigen, einem Dorf, in dem es nur eine Kirche gibt und ein Autohaus und einen Hackschnitzelbetrieb, der allerdings bald wegzieht, – an diesem Ort namens Grundsheim im letzten Winkel des Alb-Donau-Kreises lebt und arbeitet ein junger Müller. Marcel Bauhofer (21). Er ist Landessieger geworden in seinem Beruf. Marcel Bauhofer hat, wie er selbst sagt, nicht viel gelernt dafür, aber er sei schon immer praktisch begabt gewesen. Ein Schrauber bereits als Kind. „Ich habe alles zerlegt, meistens nicht mehr ganz zusammenbekommen – aber verstehen wollen, wie es funktioniert.“ Und: Marcel Bauhofer durfte früh mithelfen in der Mühle der Familie. Der eigene Betrieb war schon Grundstein für den Entschluss gewesen, überhaupt diesen Beruf zu erlernen.
Weniger Betriebe, mehr Getreide
Die Bauhofer Mühle ist eine von 550 aktiven Mühlen, die noch existieren in Deutschland. 1950 waren es 19 000. Der Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft fasst den Trend in einem Satz zusammen: Weniger Mühlen verarbeiten mehr Getreide. Etwas Grundlegendes blieb nach Beobachtung des Verbandes indes unverändert: Die Branche ist geprägt von Familienbetrieben und das Mühlenspektrum breit.Die Mühle in Grundsheim ist eine vergleichsweise kleine Mühle. Ihre Tagesleistung liegt bei 40 Tonnen Getreide. So viel kann sie vermahlen, wenn sie 24 Stunden in Betrieb ist. Es gibt Kleinstmühlen mit einer Kapazität von lediglich ein bis drei Tonnen, ab 100 Tonnen wird von einer mittleren Mühle gesprochen. Die Bauhofers mahlen von 7.30 Uhr bis 18 Uhr. Weizen, Dinkel, Roggen. Die typischen Brotgetreidesorten. Nachts steht der Betrieb still, denn mehr Mehl können Marcel und seine Eltern Reinhard und Gabriele Bauhofer eigenen Angaben nach gar nicht verkaufen. Ihre Kunden sind überwiegend Bäcker, die auf handwerkliche Weise arbeiten. Mit ihnen macht der Familienbetrieb 90 Prozent des Umsatzes. Die anderen 10 Prozent erwirtschaften Bauhofers über Lebensmittel- und Hofläden und den eigenen Mühlenladen.Der Beruf des Müllers hat sich sehr verändert: Früher wurde mit Stein vermahlen, heute mit Walzen. Früher wurde die Mühle von Wasserkraft angetrieben, heute von Strom. Die Abläufe sind inzwischen weitgehend technisiert. Mit zwei Knopfdrücken lassen sich die Maschinen der Bauhofer-Mühle hochfahren. Unterdessen ist es nach wie vor eine Kunst, die Körner so zu mischen, dass am Ende möglichst die gleiche Qualität herauskommt. „Das ist die größte Herausforderung“, sagt Marcel Bauhofer.Einiges blieb Handarbeit: Das Umstellen der Rohrklappen und das Verstellen der Mahlspalte nehmen Marcel und sein Vater manuell vor. Das ist jedesmal vonnöten, wenn die Anlage von Weizen auf Roggen oder Dinkel umgestellt wird. Den hohen Anforderungen ist eine neue Berufsbezeichnung geschuldet. Sie lautet „Verfahrenstechnologe/technologin Mühlen- und Getreidewirtschaft“.Zwei Entwicklungen verlangen langfristig ein Umdenken in dem Familienbetrieb, sagt Müllermeister Reinhard Bauhofer (55): „Die handwerklichen Bäcker werden weniger, also unsere Kunden.“ Und: „Die Landwirte bauen mehr Mais an und weniger Getreide.“ Wie soll die kleine Mühle unter diesen Umständen weitermachen? Die Vermarktung verbessern? In einer größeren Stadt einen Laden anmieten? Gedankenspiele, die Marcel und seinen Vater beschäftigen.Um die Zukunft macht sich der junge Müller trotz der Unwägbarkeiten keine Sorgen: „Als Müller findet man immer etwas.“ Diese Spezialisten seien gefragt, zum Beispiel als Schichtleiter in Großmühlen. Doch solche Industrieanlagen stehen in Hafennähe. Eine Welt, die nichts zu tun hat mit dem Bild vom Müllerdasein, das Marcel Bauhofer im Kopf hat: „Ich verbinde mit Mühle: eine Mühle in einem kleinen Dorf.“ So eines wie Grundsheim mit seinen 225 Einwohnern, wo der erklärte Nicht-Stadtmensch den elterlichen Betrieb übernehmen kann und das auch möchte. In dieser nach wie vor selbstständigen Gemeinde abseits großer Straßen, die stolz darauf ist, noch einen eigenen Bürgermeister zu haben. Und eine Mühle.
Ein Artikel von Regina Frank, Südwest Presse